Genau nach dem ersten Tanz wurden die 11.000 Besucher des Kocherlballs 2023 am Chinesischen Turm mit einem Wolkenbruch überrascht. Pfützen im Biergarten und auf der Tanzfläche, nasse Bänke und Tische, nasse Dirndl und Lederhosen, nasse Schuhe. Die Gäste hat das aber nicht abgehalten in den Tag hinein zu tanzen. Bereits um 4 Uhr morgens war der Biergarten restlos besetzt. Viele kamen schon um Mitternacht, um ja einen der begehrten Plätze zu ergattern.
Nach 20 Minuten hörte der Regen auf und es wurde auf dem Tanzboden und zwischen den Bierbänken eifrig getanzt. Zünftig und mit viel Schwung sorgten die beiden Tanzmeister Katharina Mayer und Magnus Kaindl dafür, dass auch Ungeübte die bayerischen Volkstänze wie Landler, Zwiefacher, Boarischer, Polka und die Münchner Francaise, eine Nachfahrin der höfischen Kontratänze und Quadrillen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, tanzen konnten.
Der Chinesische Turm ist ein über Bayern hinaus bekanntes Wahrzeichen im Englischen Garten in München. Er wurde 1789 im Auftrag des damaligen bayerischen Kurfürsten Karl Theodor errichtet. Der Turm wurde im chinesischen Stil gestaltet und war ursprünglich Teil einer Serie von neun Holzbauten, die den Kurfürsten an seine chinesische Geliebte erinnern sollten.
Der Turm selbst hat eine Höhe von etwa 25 Metern und besteht aus mehreren Geschossen. Im Laufe der Jahre hat der Chinesische Turm einige Veränderungen und Restaurierungen erfahren. Insbesondere wurde er während des Zweiten Weltkriegs durch Bombenangriffe stark beschädigt, aber später wiederaufgebaut.
Beim Chinesischen Turm trafen sich im 19. Jahrhundert (um 1880) an den Sommersonntagen die einfachen Leute zum Tanz. In den frühen Morgenstunden versammelten sich am Chinaturm Köchinnen, Gärtner, Zimmer- und Kindermädchen, Zofen und viele andere Dienstboten und Diener. Getanzt wurde so früh, weil die „Kocherl“ später, wenn die feinen Herrschaften aus der Kirche zurück waren, wieder ihren Dienst verrichten mussten. Im Jahre 1904 wurde der Ball „aus Mangel an Sittlichkeit“ verboten. Die „Kocherl“ und ihre Galane haben es mit den Sitten anscheinend nicht so genau genommen!
Im Jahr 1989, zum 200. Jubiläum des Englischen Gartens, ließen das Münchner Kulturreferat und die Haberl Gastronomie den Kocherlball wieder aufleben. Auch zwei Jahrhunderte später ist der Kocherlball ein voller Erfolg und nicht mehr wegzudenken aus dem Münchner Festkalender.